Meine Eltern wurden von Berlin nach Braunsbach im schönen Kochertal evakuiert, dort kam ich im Sommer 1944 zur Welt. Noch sehr jung – fast noch Kind – zog ich der Kunst zuliebe nach Paris! Das war damals gefühlt so weit wie heute eine Reise zum Sternbild Alpha Centaur. Nach ein paar Jahren entschloss ich mich zu einer »ordentlichen« Laufbahn. Ich heiratete und studierte Gestaltung an der »Hochschule der Künste« in Berlin. In jener Zeit lernte ich zufällig den Typomanen Erik Spiekermann kennen der mich unheilbar mit dem Typo-Virus infizierte. Trotzdem sind wir immer noch gute Freunde.
Über Umwege, nochmal Paris, dann Barcelona, wo ich den OECD-Pavillion für die World Expo von Osaka entwarf, gelangte ich schließlich nach Südafrika. Grey- und Young-Advertising lernten mich kennen. Ich durfte für Agfa-Kameras und -Filme, Epol Hundefutter, diverse Sorten Toilettenpapier und zweifelhafte Versicherungen werben. Nebenher entwarf ich ständig neue Schriften.
Irgendwann machte ich in München Urlaub und blieb da. Eine große Werbeagentur machte mir ein Angebot, dem ich nicht wiederstehen wollte. Ich entwarf von da an für Paulaner, CMA, Phillip Morris und Peugeot. Aus Übermut wechselte ich zu einem kleinen kreativen Outfit, wo man mich zum »einfachen Denken« erzog. Ich durfte IKEA in Deutschland einführen. Dann wurde ich kreativer Partner einer neu gegründeten Agentur. Wir betreuten Möbel Krügel, Hin&Mit und verschiedene Einzelhandelsketten. Das ging eine Weile ganz gut. 1982 eröffnete ich mein eigenes Büro. All die Jahre entwarf ich unaufhörlich Schriften, die ich in meinem Fundus hortete.
Noch bis 2002 betreute ich grafisch eigene Werbe-Kunden und Verlage (Apple, Microsoft, FileNet). Ich schrieb Bücher und Zeitschriftenartikel über Gestaltung, Computer, Essen, Trinken, Reisen und Verbrechen! Seit 2002 lebe ich ausschließlich von der Gestaltung neuer und alter Schriften, die ich international vermarkte. Ende des Jahres 2011 stelle ich fest, daß ich über 260 Schriftfamilien entworfen habe mit insgesamt geschätzten 1000 Schnitten. Aber über eine Zeitspanne von fast 50 Jahren sind das pro Jahr nur etwas mehr als fünf Schriften, so viel ist das auch nicht.
2011 habe ich damit begonnen aus Schrftzeichen Bilder zu gestalten. Immer nur schwarzweisse Schriftzeichen, das wird mir zu trist. Ich nenne es GlyphArt.
Vita Gert Wiescher (kurz)
1962-65 Paris, Freischaffender Künstler
1967-1969 Berlin, Studium Hochschule der Künste
1969-70 Barcelona, Design OECD Pavillion für die Osaka World Expo
1972-75 Johannesburg, Art Director in Werbeagenturen, Typedesigner
1976-82 Munich, Art- & Creative Director in Werbeagenturen, Typedesigner
1982 Freischaffender Type- und Graphic Designer
2002 Freischaffender Type-Designer
Since 2011 Type-Designer und Freischaffender Künstler (GlyphArt)